Auf der Suche nach dem Zuschauer

Die Zukunft der TV-Programmplanung

Im Auftrag der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen), der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) und der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) haben das Grimme-Institut und das MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung den Einfluss des demografischen Wandels auf die zukünftigen Programmstrategien der Medienunternehmen untersucht.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes stand eine Expertenbefragung mit insgesamt 33 Vertretern von Fernsehsendern, Produktionsfirmen, Werbezeitenvermarktern sowie freien Autoren und Wissenschaftlern. Die befragten Experten, so ein Kernbefund der Studie, stimmen weitgehend darin überein, dass die Relevanz der älteren Zuschauer von den Programmveranstaltern aktuell unterschätzt wird - denn die über 50-Jährigen sehen durchschnittlich 1,5 Stunden am Tag länger fern als jüngere Rezipienten; und schon heute ist der Fernsehzuschauer im Schnitt rund acht Jahre älter als der Durchschnittsdeutsche. Auch in Zukunft, so prognostizieren viele Experten, wird das Fernsehen ein wichtiges Medium für Ältere sein, wenn auch moderne Kommunikationsmedien deren Medienbouquet gleichzeitig zunehmend anreichern werden.

Doch wie könnte eine "demografie-sensible" Programmgestaltung aussehen? Nahezu einstimmig vertreten die Befragten die Meinung, dass Ältere durch explizit "seniorengerechte" Fernsehangebote stigmatisiert werden würden. Daher plädieren sie für eine Platzierung entsprechender Themen im allgemeinen Programm. Bei der Gestaltung zielgruppenspezifischer Angebote würden sie außerdem besonderen Wert auf einen deutlichen Bezug zum Alltag der älteren Zuschauer sowie eine adäquate "Verpackung" legen.

Die Programmentwicklung für die Zielgruppe 50plus folgt indes keinen festen Regeln. Ein besonders wichtiger Themenlieferant kann die Auseinandersetzung mit "älteren" Lebenswelten sein. Grundsätzlich halten die Befragten das gesamte Spektrum vorhandener Programmformen für adäquat, um seniorenspezifische Angebote zu erstellen. Informierende und non-fiktionale TV-Angebote führen die Liste geeigneter Genres an. Die idealtypischen seniorenspezifischen Programmkonzepte der befragten Experten nehmen die Lebenswirklichkeit der älteren Zielgruppe in den Blick und legen sich dabei nicht auf bestimmte Genres fest.

Wenn auch die für die kommenden Jahre erwarteten einschneidenden Veränderungen in der Mediennutzung von den befragten Experten zumeist eher auf technologische Innovationen denn auf den demografischen Wandel zurückgeführt werden, so stellen sich die Programmverantwortlichen doch gleichzeitig auf eine wachsende Ausdifferenzierung der älteren Zuschauerschaft ein - schon heute präsentiert sich diese in ihren Lebensstilen und medialen Vorlieben so vielfältig wie nie zuvor.

Der Blick in die Zukunft, den die Experten am Ende des Interviews wagen, stimmt optimistisch: Bis zum Jahr 2015, so die mehrheitliche Einschätzung der Befragten, wird die Relevanz älterer Zuschauer für die Medienanbieter steigen. Inwiefern sich dies jedoch auf die konkrete Programmgestaltung auswirken wird, liegt offenbar weitgehend in den Händen der werbetreibenden Wirtschaft, in deren Augen die älteren Zuschauer keine attraktive Konsumentengruppe darstellen und daher bei der Mediaplanung kaum eine Rolle spielen. Und obwohl angesichts des wachsenden Anteils älterer Bevölkerungsgruppen auch in der Medienbranche inzwischen der eine oder andere über eine Umformulierung der gültigen Werbezielgruppendefinition "14 bis 49" nachdenkt, wird die Chance für eine tatsächliche Veränderung von den Befragten recht unterschiedlich eingeschätzt.

So wird der durch den demografischen Wandel induzierte Handlungsbedarf zwar von den befragten Medienexperten erkannt, spielt für ihre konkrete Arbeit jedoch (noch) keine herausragende Rolle. Entsprechend mangelt es aktuell noch an umfassenden Konzepten für die zukünftige Programmplanung - die Strategiediskussion über den richtigen Umgang mit der sich verändernden Zuschauerstruktur, so ein wichtiger Studienbefund, befindet sich offenbar erst am Anfang.

Kontakt

Dr. Lutz P. Michel, michel@mmb-michel.de

Julia Flasdick, flasdick@mmb-institut.de